Nachwirkende Fürsorge- und Schutzpflicht des Arztes

Auch nach dem Behandlungsende trifft den Arzt jedenfalls bei bedrohlichen Befunden eine nachwirkende Fürsorge- und Schutzpflicht, deren Verstoß einen Behandlungsfehler darstellt.

Der Bundesgerichtshof hat mit aktuellem Urteil vom 26.6.2018 entschieden, dass einen Arzt auch nach dem Behandlungsende eine Fürsorge- und Schutzpflicht trifft. Im zugrunde liegenden Fall erlangte der Arzt nachträglich Kenntnis von bedrohlichen Befunden seines Patienten, nachdem die Behandlung bei dem Arzt bereits beendet war und der Patient sich seit fünf Monaten nicht mehr beim Arzt vorgestellt hatte. Hinsichtlich der Frage, ob der Verstoß gegen die nachwirkende Fürsorgepflicht im konkreten Fall unter Berücksichtigung der gängigen Definitionen als grob oder als einfacher Fehler einzustufen ist, hat der Bundesgerichtshof die Angelegenheit dem Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung zurück verwiesen.

Verpflichtung des Arztes zur aktiven Erforschung von Krankheitsanzeichen

Unterlässt ein Psychiater aktiv die Exploration hinsichtlich einer bipolaren Störung des Patienten im Wege der Drittanamnese, so ist dies behandlungsfehlerhaft (Leitsatz med|re)

In den News vom 7.8.2017 hat die Fachkanzlei Leitner unterrichtet, dass die Gerichtspsychiaterin Hanna Z. erfolgreich im Zivilverfahren wegen Befangenheit ausgewechselt worden ist. Die Gerichtspsychiaterin hatte in ihrem Gutachten einen Behandlungsfehler nicht einmal in Betracht gezogen, sondern dargelegt, dass der beklagte Arzt “so erfahren” sei, dass er die Krankheit des Patienten – läge sie denn vor – “sicherlich erkannt” hätte. Eine solche Gutachterin ist natürlich von vornherein voreingenommen und musste ausgewechselt werden. Das hat das Landgericht München II auch so bestätigt.

Nun liegt das Gutachten eines neutralen Gerichtsgutachters vor. Dem beklagten Arzt wurde in der Klage des von Fachanwalt für Medizinrecht Leitner vertretenen Patienten vorgeworfen, dass er Mitteilungen der Ehefrau des Klägers ignoriert hat. Der neu beauftragte Gerichtsgutachter hat nun klar und nachvollziehbar dargestellt, dass ein Psychiater im Wege der Drittanamnese verpflichtet ist, aktiv bestimmte Krankheitsanzeichen eines Patienten zu erforschen, so dass das Vorgehen des beklagten Arztes nicht verständlich war. Der Gerichtsgutachter bestätigt in seinem fundierten Gutachten auf der Ebene im medizinischen Bereich in fast allen Punkten den Vortrag des Medizinfachanwalts Leitner. Die Klage fußt maßgeblich auf dem Vorwurf, dass der beklagte Arzt unbedingt und frühzeitig die Ehefrau des Klägers in die Behandlung mit hätte einbeziehen müssen. Das ist nicht geschehen.

Es steht damit zu erwarten, dass der beklagte Arzt verurteilt wird.

Der falsch behandelte Patient hatte infolge seiner psychischen Störung zahlreiche Kredite aufgenommen, die einen außerordentlich hohen Umfang einnehmen. Mit der Schmerzensgeldforderung, dem Schadensersatz und dem Feststellungsantrag steht insgesamt ein hoher sechsstelliger Bereich zwischen den Parteien in Streit. Dazu wäre es nicht kommen, wenn der beklagte Arzt von Anfang an die Behandlung in die richtigen Bahnen geführt hätte.

Zur Mithaftung eines Radfahrers

Verursacht ein nicht vorfahrtsberechtigter PKW-Fahrer an einer Ausfahrt aus einem Werksgelände mit seinem PKW einen Unfall mit einer auf dem kreuzenden Radweg vorfahrtsberechtigten Radfahrerin, so ist trotz entsprechender Beschilderung auf dem Radweg (Hinweis auf Werksausfahrt) ein Mitverschulden der Radfahrerin nicht begründbar (Leitsatz med|re)

Die von Fachanwalt für Medizinrecht vertretene Unfallgeschädigte befuhr mit ihrem Fahrrad in ordnungsgemäßer Weise einen Radweg, der eine Werksausfahrt kreuzt. Auf dem Radweg ist ein Verkehrsschild mit dem Hinweis auf die Werksausfahrt angebracht. Die Radfahrer auf dem Radweg sind vorfahrtsberechtigt.

Der mit seinem PKW aus der Werksausfahrt kommende Unfallgegner übersah die Radfahrerin und rammte diese, worauf diese stürzte und sich schwerste Verletzungen zugezogen hatte, die einen erheblichen Dauerschaden nach sich ziehen. Die Geschädigte hatte neben Schürf- und Platzwunden insbesondere multiple Wirbelbrüche erlitten, einen Schädelbruch und befindet sich seither auch in psychologischer Behandlung. Sie ist auch drei Jahre nach dem Unfall noch in allen Richtungen bewegungseingeschränkt, war lange vollkommen arbeitsunfähig und wird dauerhaft auf Behandlungen angewiesen sein. In ihrer Erwerbstätigkeit ist die Geschädigte eingeschränkt. Es liegt zudem eine Einschränkung in der Haushaltsführung auf Lebzeiten vor. Das Schadensvolumen liegt in einem hohen sechsstelligen Bereich.

Die Unfallgeschädigte wurde vormals von einem Anwalt in München vertreten. Diesem gegenüber wurde seitens der Haftpflichtversicherung die Haftung dem Grunde nach in Höhe von 2/3 anerkannt, was mehrmals mitgeteilt wurde. In Höhe von 1/3 wurde wegen der Beschilderung am Radweg ein Mitverschulden der Radfahrerin eingewendet.

Fachanwalt Leitner hatte zunächst diesen Aspekt vertieft und gegenüber der Haftpflichtversicherung dargelegt, dass bei dieser Sachlage kein Raum für ein Mitverschulden ist, so dass die Haftpflichtversicherung anschließend ihre Eintrittspflicht zu 100% anerkannt hatte und vom bislang hartnäckig vorgebrachten Einwand des Mitverschuldens vollständig abgerückt ist.

Bereits der Anscheinsbeweis sprach hier für eine Alleinhaftung des Verursachers. Es wäre daher durch die Versicherung der Anscheinsbeweis zu widerlegen gewesen, wobei Maßstab dabei der Strengbeweis § 286 ZPO ist.  Eine Mithaftung kann nur bei feststehendem oder vermutetem Mitverschulden in Betracht kommen. Weder stand ein solches hier jedoch fest, noch gab es tragfähige Anhaltspunkte für eine derartige Vermutung. Es war klar von der Alleinschuld des PKW-Fahrers auszugehen. Für ihn war der Unfall vorhersehbar und vermeidbar. Der PKW-Fahrer unterlag sogar erhöhten Sorgfaltspflichten nach § 10 StVO, wonach er hat sich so zu verhalten gehabt hätte, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Erforderlichenfalls hätte sich der Unfallverursacher bei der Ausfahrt sogar einweisen lassen müssen.

Die Alleinhaftung des Verursachers deckt sich auch mit der gängigen Rechtsprechung in ähnlichen Konstellationen. Bei Vorfahrt des Radfahrers und sonstigen Vorfahrtsverstößen des Kfz-Fahrers ist schon in der Regel von einer Alleinhaftung des Kfz-Fahrers auszugehen (Grüneberg in Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 14. Aufl. 2015, Rn 371 m.w.N.). Kollidiert ein Radfahrer, der erlaubtermaßen auf der Vorfahrtsstraße den für ihn linken Radweg benutzt, mit einem aus einer Einmündung kommenden PKW, so haftet der Fahrer des Kfz zu 100% (Grüneberg a.a.O., Rn 370 a.E.). In der Fallgruppe „Vorfahrt des Radfahrers, Radfahrer benutzt linken Radweg“ bei Grüneberg ist bei Unfällen nach dem 01.10.1998 ohnehin stets eine Haftungsverteilung zugunsten des Radfahrers vorzunehmen (Grüneberg a.a.O., Rn 370, Vorbemerkung).

Verschlimmerung eines Empyems durch kontraindizierte Injektion ist ärztlicher Kunstfehler

Wird bei manifesten Entzündungszeichen mit Hitze, Funktionseinschränkung, Schmerzen und Schwellung im Schulterbereich eine Kortisonspritze mit den Wirkstoffen Lido und Triam injiziert, stellt dies einen Behandlungsfehler dar, wenn das Zeitintervall zwischen den Injektionen zu kurz gewählt ist (Leitsatz med|re)

Die von Fachanwalt für Medizinrecht Leitner vertretene Patientin klagte über einen längeren Zeitraum über Schmerzen im Schulterbereich. Zur Linderung der Beschwerden erhielt sie diverse Kortisoninjektionen. Eine Linderung stellte sich jedoch nur bedingt ein. Die letzte Injektion mit den Wirkstoffen Lido und Triam, die vom Urlaubsvertreter des eigentlich behandelnden Arztes verabreicht worden war, war sodann kontraindiziert. Denn das Zeitintervall war hier mit weniger als drei Wochen Abstand zwischen den Injektionen zu kurz gewählt und es lagen zum Behandlungszeitpunkt bereits Zeichen eines Schulterempyems vor, die eine weitere differentialdiagnostische Abklärung erforderten. Ein Zeitraum von drei Wochen hätte noch der Zulassungsinformation des Herstellers entsprochen. Die Injektion hatte zwar das Empyem nicht erzeugt, aber ich richtungsgebender Weise verschlimmert. Nach langem und schmerzvollem Leidensweg mit mehreren Operationen leidet die Patientin nun unter einer invaliden Schulter. Die Patientin ist lebenslang auf Behandlungen angewiesen. Der Behandlungsfehler, der Gesundheitsschaden sowie die Kausalität zwischen Arztfehler und Schaden sind vom eingeschalteten Gutachter bestätigt.

Fachanwalt Leitner ist in die außergerichtliche Regulierung eingetreten. Der Schadenswert ist bei diesem Beschwerdebild mit Einschränkungen der Patientin in allen Lebenslagen hoch.

Rechtlich enthält die Arzthaftungsangelegenheit die Besonderheit, dass ein Urlaubsvertreter des eigentlich behandelnden Arztes den Behandlungsfehler begangen hatte.

9.000 Euro gerichtlicher Abfindungsvergleich bei Sehnenverletzung

Eine Sehnenverletzung ist mit 9.000 Euro angemessen bewertet, wenn der Haftungsgrund unklar ist und der Aufklärungsbogen auf Sehnenverletzungen hinweist (Leitsatz med|re)

Der von Fachanwalt für Medizinrecht Thorsten Leitner vertretene Patient erlitt nach einem Verkehsrunfall einen Speichenbruch im Handgelenksbereich. Der Patient hatte bereits mehrere Jahre zuvor eine leichte Fraktur desselben Handgelenks bei einem Verkehrsunfall erlitten, die seinerzeit nicht operiert wurde und mit deren Folgen er sich arrangiert hatte.

Die frische Fraktur wurde operativ versorgt. Der vom Patienten unterzeichnete Aufklärungsbogen enthielt die vorgedruckte Aussage, dass eine konservative, nichtoperative Behandlung auf Dauer keine Aussicht auf Erfolg böte und deshalb zu einer Operation angeraten werde. Ferner war im Aufklärungsbogen unter anderem der Hinweis darauf enthalten, dass durch die Operation Sehnen und Nerven verletzt werden können und dies zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen führen könne. Es erfolgte sodann eine offene Reposition des Speichenbruchs und die Fixierung mittels zweier Zugschrauben von 33 mm und 42 mm Länge.

Nach dem operativen Eingriff stellten sich bei dem Patienten im weiteren Verlauf Bewegungseinschränkungen ein. In einer nachbehandelnden Klinik wurde die Indikation zur Entfernung der Schrauben gestellt.

Fachanwalt Leitner reichte eine Arzthaftungsklage ein. Die Klage zeigte mehrere Haftungsgründe auf, insbesondere die fehlende Indikation eines operativen Vorgehens bei einem zwar intraartikulären, aber immerhin stabilen Bruch. Ebenso wurden die nach diesseitiger Ansicht für im Gelenksbereich zu verwendenden Schrauben als zu lang – immerhin über 4 cm – vorgeworfen sowie eine eher fragliche Aufklärungspraxis, die eine konservative Methode von vornherein auszuschließen scheint, obwohl es durchaus konservative und risikofreie Behandlungsmethoden bei dem vorliegenden Frakturtyp gibt.

Die beklagte Klinik ließ zwar in ihrer schriftlichen Klageerwiderung jedweden Haftungsgrund bestreiten, willigte indes noch vor Einholung eines gerichtlichen Gutachtens in einen Vergleich ein. Die Parteien einigten sich im Wege gegenseitigen Nachgebens auf eine Abfindung von 9.000 Euro, die hier in der Gesamtschau der Sache gerecht wird.

68.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz nach Hüftoperation

Wird bei einer Hüftoperation ein intraoperativ verursachter Trochanter-Teilabriss mit einer Verzögerung von etwa 1,5 Jahren festgestellt, so liegt ein haftungsauslösender Arztfehler unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten vor (Leitsatz med|re)

Bei einer von Fachanwalt für Medizinrecht Leitner vertretenen Patientin kam es anlässlich eines operativen Eingriffs an der Hüfte iatrogen zu einem Trochanter major -Teilabriss bzw. knöchernen Ausriss des M. glutaeus medius mit einem röntgenologisch sichtbaren Knochenfragment von ca. 3,5 cm Größe sowie einer relevanten Dislokation von etwa 2 cm. Dies führte, was vorhersehbar war, zu einer Insuffizienz der Glutealmuskulatur. Die mögliche und zwingend zu erörternde operative Refixation der ausgerissenen Glutealmuskulatur ist seitens des Arztes dann gegenüber der Patientin leider niemals vorgestellt worden. Als möglicher Zeitraum für eine erfolgreiche Refixation können in aller Regel die ersten drei Monate postoperativ gelten. Je zeitnaher eine Revisionsoperation durchgeführt wird, desto Erfolg versprechender ist der Eingriff. Die Diagnose des Trochanter-Teilabrisses wurde allerdings in diesem Fall erst ca. 1,5 Jahre postoperativ bei der Patientin gestellt, was deutlich zu spät und insgesamt behandlungsfehlerhaft war. Im MRT zeigte sich entsprechend eine ausgeprägte fettige Atrophie des M. glutaeus medius, so dass auch bei einer Refixierung  zu diesem Zeitpunkt schon keine Funktionsverbesserung und Heilung mehr zu erwarten gewesen wäre.

Die Haftung des Arztes ist in einem solchen Fall unter verschiedenen rechtlichen Aspekten zu diskutieren und kann auf mehrere Haftungssäulen gestützt werden. Zunächst ist an einen für den Arzt stets sehr haftungsträchtigen Befunderhebungsfehler zu denken. Ein solcher liegt vor, wenn das Beschwerdebild des Patienten Anlass zur weiteren Befunderhebung gegeben hätte, aber unterlassen wurde. Der Arzt haftet dann, wenn eine (unterstellte) Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ereignis gezeigt hätte. Als weitere Haftungssäule muss hier an einen Diagnosefehler – in erforderlicher Abgrenzung zum  bloßen Diagnoseirrtum – gedacht werden. Und schließlich ist hier die unterlassene therapeutische Aufklärung – auch Sicherungsaufklärung genannt – zu thematisieren, weil der Arzt nicht auf eine erforderliche Refixation hingewiesen hatte. Ein Verstoß gegen die Sicherungsaufklärung wird nach den Grundsätzen der für Behandlungsfehler geltenden Regeln beurteilt. Das Unterlassen einer gebotenen therapeutischen Aufklärung oder auch eine inhaltlich fehlerhafte Therapieaufklärung kann also „einfach“ oder „grob“ behandlungsfehlerhaft sein mit dann entsprechenden Folgen für die Beweislast.

Die Patienten leidet seit dem Eingriff wegen der insuffizienten hüftführenden Muskulatur unter einer nicht mehr behebbaren Gangstörung im Sinne eines ausgeprägten Hüfthinkens. Ebenso leidet sie unter Stand- und Gangunsicherheit sowie unter einer raschen Gang-Ermüdung. Sie ist nunmehr auf einen Gehstock angewiesen, den sie vorher nicht benötigt hatte.

Die Haftpflichtversicherung des Arztes war zur außergerichtlichen Regulierung bereit und Fachanwalt Leitner hat eine Abfindungssumme i.H. von 68.000 Euro vereinbaren können. Darin ist ein Schmerzensgeld von 45.000 Euro enthalten.

470.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld bei refraktiver Chirurgie (Laserbehandlung am Auge)

Wiederholt ein Arzt (hier Augenarzt) einen Eingriff, der sicher nicht erfolgreich sein kann, so ist ein solches Vorgehen nicht mehr verantwortbar und nicht mehr verständlich und es liegt ein grober Behandlungsfehler vor (Leitsatz med|re)

Fachanwalt für Medizinrecht Leitner hat im Jahr 2016 in einem Verfahren wegen Arzthaftung einen Vergleich im Gesamtvolumen von 470.000 Euro für den von ihm vertretenen geschädigten Patienten abgeschlossen. Anlass der Klage war eine fehlerhafte Laser-Operation  am Auge des Patienten. Es sollte eine Fehlsichtigkeit im Wege der refraktiven Chirurgie verbessert werden. Dazu wird der Flap – eine runde und sehr dünne Schicht der Hornhaut – mit dem Laser aufgeschnitten und hochgeklappt, damit die darunter liegende Schicht der Hornhaut zur Änderung ihrer Brechkraft etwas abgetragen werden kann. Anschließend wird der Flap zugeklappt und verwächst wieder mit der Hornhaut. Beim Kläger war dies jedoch erschwert, weil bei seiner Fehlsichtigkeit auch der Flapansatz hätte behandelt werden müssen, den man in diesem Fall mit dem Laser nicht gut erreichen konnte. Dieser erste Eingriff war noch verantwortbar, wobei sich bereits einige Fragezeichen zeigten. Nach sachverständiger Beurteilung des hinzugezogenen Gerichtsgutachters war das Vorgehen beim Patienten dann in Bezug auf die zweite – in gleicher Weise vorgenommene – Behandlung fehlerhaft, weil die Hornhautkrümmung vorliegend nach dem ersten Eingriff unverändert auch in dem durch den Flapansatz nicht korrigierbaren Bereich gelegen hatte. Der Patient, ein Ingenieur und  Schadensgutachter im Versicherungswesen, der auf exzellentes Sehen angewiesen ist, hatte vor allem deutlich an Sehkraft verloren. Die Arzthaftungskammer  des Landgerichts München I bewertete das ärztliche Vorgehen nach sachverständiger Beratung juristisch sodann zutreffend als grob fehlerhaft, weil ein eindeutiger Verstoß gegen die Erkenntnis vorlag, dass durch die bloße wiederholte Behandlung in gleicher Weise auch im zweiten Anlauf kein Erfolg zu erwarten war. Dieses Verhalten wurde als nicht mehr verständlich und verantwortbar bezeichnet, weil eine schlichte Wiederholung eines sicher nicht erfolgreichen Eingriffs nicht richtig sein kann. Fachanwalt für Medizinrecht Leitner und auch die 9. Kammer des Landgerichts München I setzten sich in diesem Fall der Arzthaftung sehr für eine vergleichsweise Lösung ein. Am Ende einigten sich die Parteien auf eine Gesamtabfindung von 470.000 Euro, worin Schmerzensgeld und materieller Schadensersatz – insbesondere Verdienstausfall – enthalten war.

Barett-Syndrom nicht erkannt: Landgericht München I urteilte 75.000 Euro Schmerzensgeld aus

Unterlässt ein Arzt (hier Hausarzt, Allgemeinmediziner) bei gebotener Kontrolldichte die Entnahme von Gewebeproben und hätten diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Änderung gezeigt, so liegt ein haftungsauslösender Befunderhebungsfehler vor. Eine Nichtreaktion auf Karzinombefall wäre sodann grob fehlerhaft gewesen. (Leitsatz med|re)

Fachanwalt für Medizinrecht Leitner hatte Angehörige eines verstorbenen Patienten vertreten, die aus ererbtem Recht gegen einen Arzt vorgegangen waren. Der Allgemeinmediziner und Hausarzt des Verstorbenen haftete nach den Grundsätzen der unterlassenen Befunderhebung, da trotz Hinweisen auf ein sog. Barett-Syndrom erforderliche Kontrolluntersuchungen unterlassen wurden. Bei gebotener Kontrolldichte hätten man Gewebeproben entnehmen müssen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Veränderungen im Gewebe gezeigt hätten. Die Nichtreaktion auf den Karzinombefall wäre sodann ein grober Behandlungsfehler gewesen und bei frühzeitiger Behandlung wäre sogar eine Heilung des Patienten möglich gewesen. Von der Diagnose bis zum Tod hatte der Patient über einen langen Zeitraum mit mehreren Operationen zu kämpfen, die in einer intensivmedizinischen Behandlung endeten. Das Urteil des Landgericht München I stammt zwar schon aus dem Jahr 2012, allerdings ist der medizinische Hintergrund nach wie vor aktuell. Das Oberlandesgericht München hatte den Schmerzensgeldbetrag schlussendlich bestätigt.

Bei der Bemessung hat das Gericht den individuellen Leidensweg berücksichtigt und sich am Ausmaß und der Schwere der durch das schadensauslösende Ereignis verursachten Verletzung orientiert. Immer sind auch die erlittenen Schäden und das Maß der Lebensbeeinträchtigung, die Dauer und Heftigkeit der Schmerzen sowie die Dauer der – ggf. stationären – Behandlung und die Beeinträchtigungen im Familienleben zu gewichten. Den Tatgerichten steht dabei ein relativ weiter Ermessensspielraum in der Beurteilung zu, der von den Berufungsgerichten nur sehr eingeschränkt überprüfbar ist.

300.000 Euro Schmerzensgeld bei hypoxischem Hirnschaden eines Erwachsenen

Erleidet ein erwachsener Patient infolge eines Infarkts einen Sauerstoffmangel im Gehirn, verfällt deswegen in ein Wachkoma und reagiert noch auf taktile Reize, ist ein immaterieller Schadensersatz (Schmerzensgeld) von 300.000 Euro gerechtfertigt (Leitsatz med|re)

Fachanwalt für Medizinrecht Leitner hat sich im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen mit der Versicherungskammer Bayern als Haftplichtversicherung eines Klinikums im Wege einer Teileinigung auf ein Schmerzensgeld i.H. von 300.000 Euro beri einem Erwachsenen mit hypoxischem Hinrschaden verständigen können. Die Versicherung hatte ursprünglich als Schmerzensgeld 200.000 Euro angeboten. Hypoxische Hirnschäden gehören zu den gesundheitlichen und materiellen Großschäden, die – an deutschen Maßstäben gemessen – zu vergleichsweise hohen Schmerzensgeldern führen. Üblicherweise ist die Rechtsprechung in Deutschland bei der Ausurteilung von Schmerzensgeld in der Tendenz leider noch eher zurückhaltend. Die Regulierung erfolgte auf der Basis eines Gutachtens des MDK Bayern, welches einen Verstoß gegen den herzchirurgischen Facharztstandard festgestellt hatte, in dessen Folge das Gehirn des Patienten einen Sauerstoffmangel erlitten hatte und er bis zu seinem Versterben im Wachkoma lag. Auch die interne Prüfung der Haftpflichtversicherung ist offensichtlich von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen und hatte jedenfalls von Beginn an signalisiert, dass die Angelegenheit nicht im Klagewege geklärt werden müsse. Die von Fachanwalt Leitner angeforderten Vorschussbeträge wurden von der Versicherung beglichen. Das wertet Fachanwalt Leitner auch als professionelles Regulierungsverhalten der Versicherungsgesellschaft, welches eine zielgerichtete und sachlich richtige Regulierung ohne emotional und finanziell belastendes Gerichtsverfahren für die Angehörigen ermöglicht hat. Bei der Schmerzensgeldbemessung waren insbesondere auch die äußerliche Erkennbarkeit der Verletzung sowie die Einschränkung bei der weiteren Lebensplanung zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion waren weiterhin der Verschuldensgrad sowie das Geschehen um das verletzende Ereignis herum zu berücksichtigen. Im Fall des von Fachanwalt Leitner vertretenen Patienten spielte hier vor allem auch die Erforderlichkeit der Vollpflege eine große Rolle, da der Patient bis zu seinem Versterben über eine Sonde ernährt werden musste und auf taktile Reize noch reagiert hatte. Es war leider nicht auszuschließen, dass sich der Patient seiner Situation noch bewusst war.

Ein Vergleich aus der Rechtsprechung:

Im Falle einer hypoxischen Hirnschädigung mit schwersten Folgen bei einem etwa eineinhalbjährigen Kind hielt das Berufungsgericht das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld von 400.000 Euro für “nicht unvertretbar übersetzt” (OLG Naumburg, Urteil vom 17.09.2014, 1 U 38/14). Das Kind war beim Spielen in einen Swimmingpool gefallen, was die Aufsicht führende Großmutter leider viel zu spät erkannt hatte. Erst nach 30 Minuten konnte eine Notärztin das Kind wiederbeleben. Das Kind ist nicht mehr alleine sitz- und gehfähig und auf Lebzeiten auf den Rollstuhl angewiesen. Es muss über eine PEG-Sonde ernährt werden, ist nicht mehr stuhl- und harnkontrollfähig und leidet an einer massiven Sehschädigung. Es kann nicht sprechen und hat nur eine minimale Restbeweglichkeit.

170.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz

Verliert ein sich im Ruhestand befindlicher Berufsgeiger infolge eines Behandlungsfehlers seine Fähigkeit zum Geigenspiel, ist ein Erwerbsschaden gleichwohl nicht ausgeschlossen und muss in einer Gesamtabfindung berücksichtigt werden (Leitsatz med|re)

Cordula Kempe-Oettinger, Berufsgeigerin und Witwe des Stardirigenten Rudolf Kempe, wurde seinerzeit erfolgreich von Fachanwalt für Medizinrecht Thorsten Leitner vor dem Landgericht München I in einem Arzthaftungsverfahren vertreten. Fachanwalt Leitner hatte den Fall damals für eine Münchner Patientenanwaltskanzlei bearbeitet. Ein ärztlicher Kunstfehler fürhrte zu einer Haftung. Die Parteien haben sich zu guter Letzt auf einen Vorschlag des Gerichts in Höhe einer Gesamtabfindung von 170.000 Euro verständigt. Darin war Schmerzensgeld und auch ein künftiger Erwerbsschaden enthalten, wobei es Fachanwalt Leitner zudem wichtig war, dass die nicht rechtsschutzversicherte Berufsgeigerin keinerlei Verfahrenskosten – die sich in der Summe immerhin auf etwa 33.000 Euro beliefen – tragen musste. Diese Kosten wurden allesamt von den beklagten Ärzten übernommen.

 

Zum Artikel in der Süddeutschen Zeitung