Die postoperative Kontrolle der Wundheilung in regelmäßigen Intervallen ist Bestandteil der Behandlung (Leitsatz med|re)
Bei dem von Fachanwalt für Medizinrecht Leitner vertretenen Patienten wurde in einer herzchirurgischen Einrichtung eine operative Versorgung einer Myokardrevaskularisation (Eingriff zur Verbesserung der Blutzirkulation am Herzen) vorgenommen. Stellen sich bei einem solchen Eingriff bei einem risikobelasteten Patienten Wundheilungsstörungen ein, so handelt es sich in aller Regel um Komplikationen des Eingriffs. Das gilt vor allem dann, wenn mehrere Risikofaktoren bei Patienten, z.B. COPD, hohes Alter und Niereninsuffizienz, die allesamt eine Wundheilungsstörung begünstigen, zusammenkommen. Solche Komplikationen lösen regelmäßig nur dann Ansprüche der Arthaftung aus, wenn die präoperative Aufklärung fehlerhaft war, wobei hier die Frage der Alternativentscheidung im Falle zutreffender Aufklärung eher schwierig plausibel darzulegen ist. Die Klinik schuldet allerdings in jedem Fall eine durchgehende Wundkontrolle, um derartige Komplikationen frühzeitig zu erkennen und wenigstens abzumildern.
Im Fall des von Fachanwalt Leitner vertretenen Patienten sind weiterführende diesbezügliche Untersuchungen in den Krankenunterlagen allerdings nicht zu finden. Insbesondere finden sich auch keine Vermerke zu einer ärztlichen Wundschau, so dass bis einschließlich zum Entlassungstag keine Aussage getroffen werden kann, ob die Wundheilung tatsächlich regelhaft verlief und das Sternum zum Zeitpunkt der Entlassung stabil war, so wie es im Verlegungsbericht niedergelegt ist. Auch zu der durchgeführten, mehrfachen, hochdosierten intravenösen Cortisonvergabe findet sich keine ärztliche Begründung. Die hochdosierte rezidivierende Cortisongabe am Entlasstag kann ohne Weiteres die Entstehung einer Wundheilungsstörung erheblich mitbegünstigt haben. Die Wundheilungsstörung bestand angesichts des Aufnahmebefundes der nachfolgenden Einrichtung, einer Rehabilitationsklinik, jedenfalls sicher zum Entlassungszeitpunkt der behandelnden herzchirurgischen Klinik. Da sich an keinem Tage des postoperativen Verlaufes auf der Normalstation eine ärztliche Eintragung bezüglich der Wunde befindet, muss davon ausgegangen werden, dass solche Wundschauen nicht regelhaft bzw. gar nicht durchgeführt worden sind. Nach gerichtsgutachterlicher Einschätzung hätten diese aber zwingend dokumentiert werden müssen.
Damit war nach gerichtgutachterlicher Meinung die Verlegung in eine Rehabilitationsklinik bei dem Patienten fehlerhaft. Vor allem in Anbetracht des dokumentierten Aufnahmebefundes am gleichen Tage muss der Verlegungsbrief aus der verlegenden Klinik, die den Eingriff durchgeführt hatte, als behandlunfgsfehlerhaft angesehen werden. Die Beschreibung der Wunde und des Sternums im Entlassungsbrief der Klinik hat in den mannigfaltigen Unterlagen, die der gerichtsgutachterlichen Prüfung zugrunde lagen, keine Grundlage. Der gerichtliche Sachverständige postuliert weiter, dass zwingend davon auszugehen sei, dass “bereits bei einer abschließenden Wundkontrolle des Sternums mit manueller Überprüfung der Wunde und der Krepitationen des Sternums dieses noch vor der Entlassung aufgefallen wäre“. Daraus hätte sich eine unmittelbare operative Revision, wie sie schließlich später erfolgt ist, ergeben. “Möglicherweise hätte auch eine alleinige Neuverdrahtung oder andere Osteosynthese des Sternums ausgereicht, zumindest aber hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine entsprechende radiologische Diagnostik durch Sternumzielaufnahme oder Computertomographie eine SternuminstabiIität ergeben“, so der Sachverständige. Das Fehlen jeglicher Wundschau bzw. das Fehlen jeglicher Dokumentation einer solchen stuft der gerichtliche Sachverständige als groben Behandlungsfehler ein. Denn in jedem operativen Fach, so auch in der Herzchirurgie, gehört die Kontrolle der Wundheilung insbesondere durch Inspektion und Palpation und auch Verbandswechsel in regelmäßigen Intervallen zur Behandlung dazu.