Begründet eine gerichtliche Sachverständige (hier eine Psychiaterin) ihre Meinung im Gutachten, ein Behandlungsfehler liege nicht vor, letztlich nur damit, dass der verklagte Arzt sehr erfahren sei, ist der Anschein völliger Unvoreingenommenheit der Gerichtsgutachterin nicht mehr gegeben (Leitsatz med|re)
Fachanwalt für Medizinrecht Leitner hat für einen von ihm vor dem Landgericht München II vertretenen Kläger die vom Gericht beauftragte Gerichtspsychiaterin erfolgreich als befangen abgelehnt, nachdem das von ihr erstattete Gutachten vorgelegt wurde. Das Gutachten war für den Kläger negativ, was für sich genommen natürlich nicht ausreicht, um einen Gerichtsgutachter abzulehnen. Fachanwalt Leitner begründete seinen Antrag auf Ablehnung der Gutachterin wegen Befangenheit damit, dass aus der maßgeblichen Sicht einer vernünftig denkenden Partei der Anschein nicht völliger Unvoreingenommenheit besteht, weil Frau Dr. Z. mehrfach im Gutachten hervorhob, dass der Beklagte Arzt „sehr erfahren“ und „hochprofessionell“ sei und „profunde Kenntnisse“ habe und deswegen das Krankheitsbild „mit Sicherheit […] nicht verkannt oder übersehen hätte“, wenn es tatsächlich vorgelegen hätte.
Die Gutachterin ging in ihren Gutachten auch so weit, dass sie beim Kläger ein anderes Krankheitsbild diagnostizierte, als ein vorheriger Gutachter und der Beklagte selbst dies getan hatten – ohne jemals persönlich mit dem Patienten geredet zu haben. Die Psychiaterin vertritt zum Thema “Ferndiagnose eines Arztes” öffentlich in Talkshows die Meinung, dass ein Arzt, der eine Ferndiagnose stelle, angezeigt werden müsse. Leitner erachtet dies als einen massiven Widerspruch der Psychiaterin.
In einem solchen Fall ist der Anwalt gehalten, seinen Mandanten auch über die Möglichkeit eines Befangenheitsantrages eingehend zu beraten, um die Patientenrechte umfassend auszuschöpfen.
Das Landgericht München II gab dem Antrag von Fachanwalt Leitner statt und stellt in seiner Begründung zutreffend heraus, dass nicht klar erkennbar war, ob die Psychiaterin die Möglichkeit eines Behandlungsfehlers zumindest in Betracht gezogen hatte (LG München II – Beschluss vom 01.08.2017, Az. 1 O 5531/13 Hei).