Wird bei einer Hüftoperation ein intraoperativ verursachter Trochanter-Teilabriss mit einer Verzögerung von etwa 1,5 Jahren festgestellt, so liegt ein haftungsauslösender Arztfehler unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten vor (Leitsatz med|re)
Bei einer von Fachanwalt für Medizinrecht Leitner vertretenen Patientin kam es anlässlich eines operativen Eingriffs an der Hüfte iatrogen zu einem Trochanter major -Teilabriss bzw. knöchernen Ausriss des M. glutaeus medius mit einem röntgenologisch sichtbaren Knochenfragment von ca. 3,5 cm Größe sowie einer relevanten Dislokation von etwa 2 cm. Dies führte, was vorhersehbar war, zu einer Insuffizienz der Glutealmuskulatur. Die mögliche und zwingend zu erörternde operative Refixation der ausgerissenen Glutealmuskulatur ist seitens des Arztes dann gegenüber der Patientin leider niemals vorgestellt worden. Als möglicher Zeitraum für eine erfolgreiche Refixation können in aller Regel die ersten drei Monate postoperativ gelten. Je zeitnaher eine Revisionsoperation durchgeführt wird, desto Erfolg versprechender ist der Eingriff. Die Diagnose des Trochanter-Teilabrisses wurde allerdings in diesem Fall erst ca. 1,5 Jahre postoperativ bei der Patientin gestellt, was deutlich zu spät und insgesamt behandlungsfehlerhaft war. Im MRT zeigte sich entsprechend eine ausgeprägte fettige Atrophie des M. glutaeus medius, so dass auch bei einer Refixierung zu diesem Zeitpunkt schon keine Funktionsverbesserung und Heilung mehr zu erwarten gewesen wäre.
Die Haftung des Arztes ist in einem solchen Fall unter verschiedenen rechtlichen Aspekten zu diskutieren und kann auf mehrere Haftungssäulen gestützt werden. Zunächst ist an einen für den Arzt stets sehr haftungsträchtigen Befunderhebungsfehler zu denken. Ein solcher liegt vor, wenn das Beschwerdebild des Patienten Anlass zur weiteren Befunderhebung gegeben hätte, aber unterlassen wurde. Der Arzt haftet dann, wenn eine (unterstellte) Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ereignis gezeigt hätte. Als weitere Haftungssäule muss hier an einen Diagnosefehler – in erforderlicher Abgrenzung zum bloßen Diagnoseirrtum – gedacht werden. Und schließlich ist hier die unterlassene therapeutische Aufklärung – auch Sicherungsaufklärung genannt – zu thematisieren, weil der Arzt nicht auf eine erforderliche Refixation hingewiesen hatte. Ein Verstoß gegen die Sicherungsaufklärung wird nach den Grundsätzen der für Behandlungsfehler geltenden Regeln beurteilt. Das Unterlassen einer gebotenen therapeutischen Aufklärung oder auch eine inhaltlich fehlerhafte Therapieaufklärung kann also „einfach“ oder „grob“ behandlungsfehlerhaft sein mit dann entsprechenden Folgen für die Beweislast.
Die Patienten leidet seit dem Eingriff wegen der insuffizienten hüftführenden Muskulatur unter einer nicht mehr behebbaren Gangstörung im Sinne eines ausgeprägten Hüfthinkens. Ebenso leidet sie unter Stand- und Gangunsicherheit sowie unter einer raschen Gang-Ermüdung. Sie ist nunmehr auf einen Gehstock angewiesen, den sie vorher nicht benötigt hatte.
Die Haftpflichtversicherung des Arztes war zur außergerichtlichen Regulierung bereit und Fachanwalt Leitner hat eine Abfindungssumme i.H. von 68.000 Euro vereinbaren können. Darin ist ein Schmerzensgeld von 45.000 Euro enthalten.