Unterbleibt bei einer Zwillingsschwangerschaft die Anordnung einer erforderlichen Dopplersonographie, so liegt zwar lediglich ein einfacher Befunderhebungsfehler vor. Allerdings wären im Falle der Anordnung der Dopplersonographie die Zwillinge vermessen worden und dabei wären Wachstumsunterschiede festgestellt worden, was wiederum einen reaktionspflichtigen Befund zur Folge gehabt hätte, auf den eine Untätigkeit unverständlich gewesen wäre. Damit hat der einfache Befunderhebungsfehler eine Beweislastumkehr zu Lasten des Gynäkologen zur Folge, sodass ein grober Fehler vorliegt (Leitsatz med|re).
Eine nicht erkannte Wachstumsretardierung bei Zwillingen führt in aller Regel zu sehr schweren gesundheitlichen Schäden zumindest eines der beiden Zwillinge, sofern diese – wie zum Glück hier – überhaupt überleben. Bereits im Jahre 2012 wurde eine Arzthaftungsklage vor dem Landgericht Karlsruhe gegen eine Gynäkologin eingereicht. Das klagende Kind und seine Eltern wurden ursprünglich von stets wechselnden und teils auch unerfahrenen Anwälten einer „Patientenanwalts“-Kanzlei in München vertreten. Aufgrund der Klage hatte das Landgericht zunächst zwei schriftliche Sachverständigengutachten eingeholt, die dann auch schriftlich ergänzt wurden. Die schriftlichen Begutachtungen, die sich an dem Beweisbeschluss auf der Basis der Klageschrift der Vorkanzlei orientierten, ergaben unisono keinen Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen den geltenden Facharztstandard der Gynäkologie. Im weiteren Verlauf hat Fachanwalt für Medizinrecht Leitner die Bearbeitung übernommen und fortan sehr eng und intensiv mit dem Vater des geschädigten Kindes zusammengearbeitet. Fachanwalt Leitner begleitete mit den Eltern sämtliche Anhörungen der Sachverständigen vor Gericht. Der intensive fachliche Austausch von Fachanwalt Leitner und dem Vater des geschädigten Kindes fruchtete letztendlich auch:
In der ersten Anhörung verteidigte einer der Sachverständigen noch das für die Kläger negative Ergebnis. In der zweiten Anhörung, die aufgrund der klägerischen Stellungnahme erforderlich wurde, haben beide eingeschalteten Sachverständige ihre Ansicht leicht modifiziert. In der schließlich folgenden dritten Anhörung des Sachverständigen kristallisierte sich sodann endlich im Sinne der Kläger ein grober Befunderhebungsfehler heraus.
Die sachverständig beratene Arzthaftungskammer des Landgerichts Karlsruhe geht deswegen inzwischen zutreffend von einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs für den Primärschaden des geschädigten Kindes aus. Ansatzpunkt hierfür war der ursprünglich anvisierte voraussichtliche Geburtstermin seitens der Gynäkologin. Die beklagte Ärztin drang mit ihren Angaben vor Gericht nicht durch, da diese im Laufe des Verfahrens widersprüchlich waren und auch nicht mit den Schwangerschaftswochen, die im Mutterschaftspass dokumentiert sind, in Einklang zu bringen sind.
Die Arzthaftungskammer geht zutreffend darüber hinaus auch davon aus, dass ein einfacher Befunderhebungsfehler mit der Folge eine Beweislastumkehr für den Ursachenzusammenhang darin zu sehen ist, dass bei der Anordnung der erforderlichen Dopplersonographie die Kinder auch vermessen worden wären und dabei die Wachstumsunterschiede festgestellt worden wären. Das hätte einen reaktionspflichtigen Befund zur Folge gehabt, auf den eine Untätigkeit unverständlich gewesen wäre. Die Gynäkologin ist nunmehr in der Beweispflicht dafür, dass die eingetretenen Schäden nicht auf dem groben Fehler beruhen.
Ein Vergleich, der ja gerade mal eine (hohe) sechsstellige Zahl zum Inhalt haben könnte, wird angesichts der enormen Schadenshöhe in der Zukunft nach dem derzeitigen Stand der Dinge diesseits von Fachanwalt Leitner nicht angeraten werden; auch die Versicherung hat von sich aus noch kein Angebot unterbreitet, so dass die Beweisaufnahme fortgesetzt wird.