40.000 Euro bei Verwechslung eines Medikaments
Bei der Applikation eines hochgefährlichen Medikaments (hier: Zytostatikum) muss ein Arzt ein Höchstmaß an Sorgfalt zugrunde legen. Wird dies missachtet, liegt ein grober Behandlungsfehler vor und im Zivilverfahren kann sich ein Arzt dann auch nicht auf ein Augenblicksversagen berufen (Leitsatz med|re).
Eine von Fachanwalt für Medizinrecht Thorsten Leitner formulierte Klage vor dem Landgericht in Hof endete noch vor Beweiserhebung mit einem Vergleich zwischen den Parteien in Höhe von 40.000 Euro. Diesen Vergleich hatte das Gericht insbesondere der anwaltlichen Vertretung der beklagten Universitätsklinik noch vor Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens dringend nahegelegt. Leitner hatte im Termin sodann signalisiert, den Vergleich den Angehörigen und Erben der verstorbenen Klägerin voraussichtlich anzuraten.
Die Arzthaftungskammer des Landgerichts Hof folgte den Ausführungen der Klageschrift von Fachanwalt Leitner dahingehend, dass bei Verwechslung eines gefährlichen Medikaments ohne weiteres von einem groben Behandlungsfehler auszugehen sei. Vorliegend hatte die in einer Universitätsklinik handelnde Ärztin statt des geplanten Kortisonpräparats Cylophosphamid offenbar aufgrund einer Verwechslung in der zentralen Chemoplanerfassung das Chemopräparat Carboplatin verabreicht. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um sogenannte Zytostatika, also um gefährliche Medikamente, welche in die Stoffwechselvorgänge im Zusammenhang mit Zellwachstum und/oder Zellteilung eingreifen und diese stören. Neben den kranken Zellen können dann allerdings auch gesunde Zellen betroffen sein. Im Falle der später verstorbenen Patienten war das tatsächlich verabreichte Medikament Carboplatin wegen einer bei ihr bestehenden Niereninsuffizienz kontraindiziert.
Die Kammer für Arzthaftung des Landgerichts Hof würdigte – der Klage des Fachanwalts Leitner folgend und vorbehaltlich eines gerichtlichen Gutachtens – schon im ersten frühen Termin das Handeln der Ärztin als grob behandlungsfehlerhaft. Sie führt aus, dass „ein grober Behandlungsfehler vorliegt, nämlich ein eindeutiger Verstoß gegen bewährte Behandlungsgrundsätze, ein Verstoß, der aus objektiv medizinischer Sicht nicht mehr verständlich ist und der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.“ Denn bei der Applikation solch hochwirksamer Medikamente muss auch allerhöchste Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Die Kammer weist dann zutreffend auf die Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität hin und hält fest, dass „aufgrund des Sach- und Streitstandes derzeit alles dafür spricht, dass die Behandlung im Universitätsklinikum […] einschließlich des septischen Schocks Folge der falschen Medikamentengabe und nicht Folge der Vorerkrankung der Patientin […] war.“ Die Parteien erklärten sich in der weiteren Folge mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden.